Julia Mia Stirnemann
Von der Rekonstruktion zur Dekonstruktion, von der Konvention zur Alternative
»Über Projektionen« gibt Einsichten in Weltkarten, ihre Darstellungsweisen und den damit verbundenen Weltanschauungen. Die Projektion wird dabei einerseits als ideelle Projektion im Sinne einer Weltanschauung dargelegt, die vorherrschende Vorstellungsbilder, Wertmaßstäbe, Ordnungsprinzipien, Denkweisen oder Erklärungsmodelle der Welt beschreibt. Andererseits wird auf die geometrische Projektion, die Weltkarten zugrunde liegt, fokussiert: Jede Weltkarte steht vor der Schwierigkeit, die Kugeloberfläche in einer zweidimensionalen Ebene darzustellen.
In einer Rekonstruktion werden anhand von Weltkarten verschiedene paradigmatische Weltanschauungen aufgezeigt. In einer Dekonstruktion sind konventionelle durch alternative Weltkarten kontrastiert. Die breite Vielfalt an möglichen Weltkarten zeigt, dass Weltkarten keinen Status quo abbilden, sondern lediglich eine subjektive Interpretation der Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt sind, die ständigen Umbrüchen unterworfen bleiben.
Projektionen werden in diesem Teil der Arbeit im Sinne einer Weltanschauung untersucht. Das heisst, dass die Projektion hier mit der Bedeutung besetzt ist, welche die Erkennbarkeit der körperlichen Aussenwelt durch subjektive Empfindungen begründet und erklärt. Wenn ich in diesem Teil der Arbeit von einer Weltanschauung spreche, gehen ich also von der Gesamtheit der subjektiven Empfindung aus, welche die Wahrnehmung der Welt zu einem Ganzen zusammen bringt und daher als Produkt eines transzendentalen Vermögens gesehen werden kann. Eine Weltanschauung ist ein subjektives Vorstellungsbild, das in die Aussenwelt projiziert wird. Sie wird durch verschiedene soziokulturelle, philosophische und erkenntnistheoretische Aspekte bestimmt, die schliesslich zu einem Vorstellungsbild führen.
Der Begriff der Projektion taucht im Zusammenhang mit Weltkarten mehrfach auf, denkt man beispielsweise an die Robinsonprojektion, die Peters-Projektion etc. In heutigen Weltkarten ist der Begriff der «Projektion» insbesondere bei der Konstruktion von Weltkarten relevant: Die «Projektion» ist das Mittel zur Herleitung von der Kugeloberfläche zur zweidimensionalen Ebene. Diese Verfahren ist ein Teilbereich der Geometrie – der darstellenden Geometrie, wobei dreidimensionale Objekte in einem geometrisch-konstruktiven Prozess in einer zweidimensionalen Bildebene projiziert und dargestellt werden. Für diesen mathematischen Prozess bedient man sich einer Projektion. Heutzutage besteht eine grosse Vielfalt an Projektionen, die alle ihre eigenen charakteristischen Eigenschaften mit sich bringen. Dabei liegt die Herausforderung darin, die adäquate Projektion für den entsprechenden Verwendungszweck einzusetzen. Die mathematische Transformation von einer Kugeloberfläche in eine zweidimensionale Ebene ist dank gegenwärtigem mathematischem und technischem Wissen keine Herausforderung mehr.
Die Dekonstruktion gilt als postmoderne Bewegung, die sich ab den 1960er Jahren entwickelte. In diesem Teil wird sie als Instrument verwendet, um versteckte Bedeutungen in konventionellen Weltkarten aufzudecken. Der Begriff der Dekonstruktion geht vorwiegend auf Derridas «Philosophie der Dekonstruktion» zurück. Die Dekonstruktion ist eine kritische Hinterfragung von Texten. Dabei bedeutet es, einen Text zu dekonstruieren, bestimmte Inhalte herauszuheben, wobei aufgezeigt werden kann, dass der Text nie genau das meint, was er besagt. Derrida konzipiert die Dekonstruktion als die Aufgabe, die Begriffe und die Werte, die sich im Laufe der Geschichte durchgesetzt und sedimentiert haben, ins Gedächtnis zurückzurufen und sie auf das Dogmatische hin zu überprüfen und zwar im Zeichen der an das «vielfältig Besondere» («singularités») gerichteten Gerechtigkeit.
ihre paradigmatischen Erscheinungen. Durch die Geschichte sind wir mit verschiedenen Weltkarten und entsprechenden Weltanschauungen vertraut und auch gegenwärtig unterliegen wir einer bestimmten Weltanschauung, die sich in Weltkarten wiederspiegelt. «Über Projektionen» kontrastiert die konventionellen durch alternative Weltkarten, legt die breite Vielfalt an möglichen Weltkarten dar und hinterfragt die gegenwärtig vorherrschende Weltanschauung.